Von Krügen und Koffern: Wie die GastarbeiterInnen nach Höhr-Grenzhausen kamen

Studierende des Fachbereichs Sozialwesen setzten sich mit Arbeitsmigration in 60er und 70er Jahren auseinander - Ausstellungseröffnung am 14. Juni

Mit der Geschichte der Arbeitsmigration in den 60er und 70er Jahren setzten sich die fünf Studierenden des Fachbereichs Sozialwesen der Fachhochschule Koblenz Annette Girnstein, Carolin Niesen, Lydia Heidrich, Johanna Nicolaides und Jassir Kaoui auseinander. Im Rahmen der Projektwerkstatt europäische Jugend- und Erwachsenenbildung unter der Leitung von Prof. Dr. Günter J. Friesenhahn und Selim Özen(AWO Rheinland) findet unter dem Motto LebensGESCHICHTEn vom 14. bis zum 20. Juni eine Themenwoche in Höhr-Grenzhausen statt.

Die individuellen Biographien und persönlichen Erfahrungen der ehemaligen GastarbeiterInnen haben bisher wenig gesellschaftliche Beachtung gefunden. Kern des Projektes ist deshalb eine Ausstellung, in der sich Bürgerinnen und Bürger über das Thema informieren können. In acht persönlichen Portraits von ehemaligen GastarbeiterInnen aus Höhr-Grenzhausen erfahren sie mehr über die Menschen, die kamen und blieben.

Die Ausstellung wird am Montag, 14. Juni, um 15:30 in Anwesenheit des Stadtbürgermeisters Michael Thiesen im Pavillon der AWO in Höhr-Grenzhausen eröffnet. Im Anschluss bietet ab 16:00 ein Erzählcafe bei Kaffee und Kuchen die Möglichkeit zum Austausch zwischen den damaligen GastarbeiterInnen, ihren deutschen Altersgenossen und der jüngeren Generation.

Am Mittwoch, 16. Juni, zeigt das Jugend- und Kulturzentrum Zweite Heimat um 19 Uhr den Film „Solino“ von Fatih Akın mit Barnaby Metschurat und Moritz Bleibtreu (120 min). Der preisgekrönte Film beschreibt die Geschichte einer italienischen Gastarbeiterfamilie im Ruhr-Gebiet. Den Höhepunkt der Themenreihe bildet der Samstag, 20. Juni: Im Jugend- und Kulturzentrum tritt Necip Tokoğlu um 19 Uhr mit seinen Programm „Türkische Heimatgeschichten aus dem Westerwald“ auf. Necip, aufgewachsen in Ransbach- Baumbach, vermischt in seinem aktuellen Soloprogramm Biographisches mit kuriosen deutschen Alltäglichkeiten. Eine intelligente, humorvolle Aufarbeitung dessen, was gemeinhin Integration genannt wird…

Ein weiterer Teil des Projektes ist ein Schulworkshop am Gymnasium im Kannenbäckerland. Durch einen Zeitzeugen wird den Schülerinnen und Schülern Geschichte lebendig vermittelt.

Im August 2010 wird die Fachhochschule Koblenz ein Buch veröffentlichen, in dem die Ergebnisse des Projektes festgehalten und die Veranstaltungen dokumentiert werden. Die Lebensgeschichten der GastarbeiterInnen ist auch die Geschichte der Bundesrepublik und der Stadt Höhr-Grenzhausen.

Mit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zum Wirtschaftsaufschwung in der neu gegründeten Bundesrepublik Deutschland, der  von 1950 bis 1960 zu mehr als einer Verdoppelung des Bruttosozialprodukts führte.  Um in diesen Zeiten der Vollbeschäftigung dem drohenden Arbeitskräftemangel entgegen zu wirken, wurden Anwerbeverträge mit verschiedenen Staaten geschlossen: Als Erstes mit Italien (1955), es folgten Spanien (1960) und Griechenland (1960), dann die Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968).

Die Anwerbung erfolgte in den Ländern selbst. Die Bundesanstalt für Arbeit unterhielt im Rahmen der Anwerbeverträge eigene Vermittlungsstellen im Ausland. Sie vermittelten auf Grund entsprechender Aufträge der deutschen Industrie Arbeitskräfte nach Deutschland. Bis zum Anwerbestopp 1973 hatte die Bundesanstalt für Arbeit insgesamt 2,39 Millionen Arbeitskräfte vermittelt. Die drei größten Gruppen stammten aus der Türkei (26,7 Prozent), aus Italien (19,7 Prozent) und Spanien (17,1 Prozent). Diese drei Gruppen sind auch die am stärksten in Rheinland-Pfalz vertretenen; in Höhr-Grenzhausen dominierten die Türken, gefolgt von den Italienern. Das jeweilige Unternehmen zahlte an die Bundesanstalt eine Vermittlungsgebühr. Für ArbeitnehmerInnen aus Italien betrug diese 65 DM, für die übrigen Länder 165 DM pro GastarbeiterIn.

Für weitere Informationen stehen gerne zur Verfügung:
projektgruppe.arbeitsmigration@yahoo.de
Fachhochschule Koblenz
Fachbereich Sozialwesen
Projektwerkstatt Europäische Jugend- und Erwachsenenbildung
Projekt LebensGESCHICHTEn
Konrad-Zuse-Straße 1
56075 Koblenz